Der Fischerhut ist (k)ein so alter Hut

Der Fischerhut ist (k)ein so alter Hut

Bis heute unvergessen ist Nicholsons Auftritt als Leibhaftiger mit weißem „Eimerhut“ in der 1987 über die Kinoleinwänden flimmernden Horrorkomödie „Die Hexen von Eastwick“ und zu Kultautor Hunter S. Thompson gehört der Bucket Hat wie die Gonzo-Faust als ganz persönliches Markenzeichen. Sowohl der legendäre amerikanische Schriftsteller als auch viele Schauspieler setzten ihm ein Denkmal: Dem Bucket Hat, zu deutsch Fischerhut.

Es heißt, dass der Fischerhut seinen Ursprung in Irland haben soll. Fischer und Seeleute sollen sich den Hut erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts über den Kopf gestülpt haben, zum Schutz vor dem strengen Winter, dem kaltem Wind und starkem Regen, der ihren Arbeitsalltag begleitete. Hergestellt wurden die Bucket Hats ursprünglich aus Materialien wie Wollfilz und Tweed, sie waren also recht fest und das Lanolin aus der ungewaschenen Roh-Wolle machte diese Hüte auf natürliche Weise wasserdicht. Die ursprünglichen Farben sind damals marineblau und gelb, das Design schlicht und einfach: ein runder Hut mit kurzer Krempe und Innenfutter, der den Kopf unkompliziert bedeckt. Neben Fischern und Seeleuten schätzten bald auch Bauern und Erntehelfer den Hut zum Schutz vor Regen, Sonne und Wind. Im Laufe der Zeit fand dann auch die Oberschicht der britischen Aristokratie Gefallen am Fischerhut, der sich sowohl beim Wandern auf dem Land, bei der Jagd und beim Angeln als nützlicher Helfer bewährte, und der – statt aus festen Filz – aus Leinen oder Baumwolle, zusammengeklappt in jede Manteltasche gesteckt werden konnte.

In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen verbreitet sich der „irische Wanderhut“ wegen seiner Pflegeleichtigkeit schnell international. Ein nasser Schwamm reichte oft aus, um ihn sogar von Schlamm zu reinigen. Die dauerhaften und praktischen Eigenschaften dieses Kleidungsstücks veranlassen schließlich auch die US-Streitkräfte, den Fischerhut nach und nach zum festen Ausrüstungsbestandteil ihrer Truppen zu machen. Er sollte die Soldaten einerseits vor Hitze und Sonne schützen, andererseits aber auch dabei helfen, störendes Blendlicht beim Schießen abzuschirmen. Als „Boonie Hat“ fand er bei den amerikanischen Streitkräften während des Vietnamkrieges weite Verbreitung. Vor allem die Truppen der Special Forces ließen sich die Hüte von lokalen Schneidereien im Tigerstripe-Tarnmuster anfertigen. Stahlhelme erwiesen sich im heißen Klima als unbequem, und Schirmmützen boten seitlich und im Nacken zu wenig Schutz vor Regen und Sonne. Also griffen die GIs lieber zum Boonie.

Bis heute stellt die ursprünglich auf dem Fischerhut basierende Kopfbedeckung in vielen Armeen der Welt ein gängiges Ausrüstungsstück und eine Alternative zur Feldmütze dar. Bei der australischen Armee ist er unter dem Namen „Giggle Hat“ bekannt. In Down Under schwören zudem viele Gärtner auf die landestypische Variante mit einer breiteren und steiferen Krempe. Und auch die deutsche Bundeswehr, genauer gesagt das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, setzt den „Krempenhut“ – so die offizielle Bezeichnung in einem 25 (!) Seiten umfassenden Manual, bei Einsätzen in wärmeren Regionen ein.

Unter Seefahrern gibt es übrigens noch eine ganz spezielle Version: den sogenannten Südwester, der aus Öltuch oder Kunststoff als Obermaterial und teilweise Baumwolle als Futter hergestellt wird. Im Gegensatz zum klassischen Fischerhut hat der Südwester eine breitere Krempe, die zudem hinten weit überhängt, damit kein Regenwasser in die Kleidung laufen kann. Der Erzählung nach hat sich der Name „Südwester“ unter norwegischen Seefahrer eingebürgert, weil der Regen meist aus der Himmelsrichtung „Sydvest“ kam. In den Anfängen des Südwesters wurden die Hüte noch aus Stoff, meist Leinen, hergestellt und mit Wachsen oder Ölen wasserfest gemacht. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden sie zusätzlich mit vulkanisiertem Gummi abgedichtet. Dies machte die Südwester zwar dichter als ihre Vorgänger aus Stoff mit Öl-Imprägnierung, aber gleichzeitig auch schwerer und empfindlicher gegenüber Fett, Öl und UV-Strahlung. Deswegen stellte man ab dem 20. Jahrhundert die Südwester aus wasserdichtem PVC her, das optimal gegen Regen und Sturm schützt und gleichzeitig robust und sehr leicht ist. Heutzutage wird der Südwester immer noch oft von Fischern und Seeleuten in Kombination mit dem klassischen, meist gelben Ölzeug getragen, da er immer noch der perfekte Hut ist, um sich vor den teils harten Witterungsbedingungen auf dem Meer zu schützen.

So vielseitig der Fischerhut verwendbar ist, so viele verschiedene Namen hat er rund um den Erdball im Laufe der Zeit verpasst bekommen: In Dänemark ist er seit den 1880er Jahren als „bøllehat“ (Unruhestifterhut) bekannt. Damals machte sich eine Gruppe junger wilder Burschen einen Spaß daraus, sonntags einen Ausflug nach Bøllemosen bei Jægersborg vor den Toren Kopenhagens zu unternehmen, wo sich ein beliebtes Tanzlokal befand. Dort stahlen die Burschen den versammelten Damen übermütig die Hüte. In Bulgarien ist der Hut als „Idiotka“ bekannt, was frei übersetzt werden kann mit „Idiotenhut“; die Argentinier sprechen vom „Sombrero Piluso“, die Südafrikaner vom „Ispoti“, die Franzosen nennen ihn „Bob“ – und 2018 wird in Deutschland ein rechtsextremer Demonstrant mit einem Fischerhut in den Farben der deutschen Flagge als Dresdner „Hutbürger“ bekannt.

Nachdem die Subkultur der „Mods“ in den 60er-Jahren den Bucket Hat für sich entdeckt und straßentauglich gemacht hatte, wird er immer häufiger in Filmen und bei Schauspielern gesehen und findet so Eingang in die Populärkultur: Wie sehr sich der alte irische Wanderhut aus Tweed bis in die 1970er Jahre großer Beliebtheit erfreut, beweist unter anderem Sean Connery als Dr. Henry Jones in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“. Und wer erinnert sich nicht auch noch an den leicht trotteligen Inspector Clouseau, gespielt von Peter Sellers in der britischen Filmreihe „The Pink Panther“? Oder an Detective Lieutenant Louie Provenza, verkörpert von George William Bailey, in den US-Fernsehserien „The Closer“ und „Major Crimes“? Johnny Depp verhilft schließlich im Jahre 1998 durch die Abenteuerkomödie „Fear and Loathing in Las Vegas“ dem lässigen Hut zu einem Revival.

Ein alter Hut ist der Bucket Hat in der Hip-Hop-Kultur. Neben Urgesteinen wie LL Cool J sind es die Pioniere von Run-DMC, die ihn Ende der 1980er Jahre bekannt machen und aus seinem ursprünglich eher bürgerlichen Milieu in die Street Wear überführen. Auch die Raver und Boybands der 1990er Jahre entdecken den Hut für sich. Wie sehr Bucket Hats Teil der Hip-Hop-Bewegung geworden sind, beweisen auch die zahlreichen Songtexte, in denen der Begriff vorkommt. Anfang der 2000er gerät der Hut wieder ein wenig in Vergessenheit, doch spätestens seit Superstar Rihanna sich in jüngster Zeit häufig mit einem Fischerhut in der Öffentlichkeit zeigt, trägt die Sängerin zu dessen neuerlicher Popularität bei.

Der alte Hut wird also immer wieder aufs Neue entdeckt. Außer traditionellen Ausführungen in Wolle und Filz gibt es mittlerweile Exemplare aus Cord und Kunstpelz, Lack und Leder, Plüsch oder Polyester. Er ist nicht mehr wegzudenken von Magazincovern, aus Fashionshows und aus teuren Modehäusern. Im FC Bayern-Fanshop gibts die Fischermütze schon für ein paar Euro, Luxusdesigner wie Prada und Louis Vuitton verlangen sogar Beträge von tausend Euro und mehr. Auch wenn die einen den Fischerhut zum Schreien finden, andere ihn hingegen für den letzten Schrei halten, die Vorteile liegen klar auf der Hand beziehungsweise dem Kopf: Ein Fischerhut bietet optimalen Schutz vor Regen und Sonne. Ob auf dem Tennisplatz oder am Surfstrand. Er kann lässig übergestülpt oder tief ins Gesicht getragen werden. Und eins ist er sicher nicht: Eine Kopfbedeckung, die ihren Träger steif wirken lässt. Ganz im Gegenteil – zum Anzug getragen wirkt ein Bucket Hat mindestens so cool wie bei Hunter S. Thompson. Und der galt bis zu seinem frei gewählten Tod als „Inbegriff der Coolness“.

 

Autor • René Haenig
Foto • Fear and Loathing in Las Vegas, United Archives GmbH / Alamy Stock Photo

Erschienen in der Heritage Post No. 46 

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