Mit Bedacht wird der Tabak in die runde Öffnung im Wurzelholz gestopft, die Pfeife liegt dabei schmeichelnd in der Hand. Dann kommt das Feuer. Der Rauch schmeckt nach Entspannung, duftet angenehm und holt einen augenblicklich aus dem hektischen Alltag. Trotz ihrer langen Geschichte ist die Pfeife noch immer nah am Zeitgeist.
Die Pfeife ist in ihrer jahrhundertealten Entwicklung eng mit Genuss und Ritualen verschiedenster Kulturen verbunden. Sie diente zum Friedenschließen, zum Berauschen und zum genussvollen Konsum von Tabak. Zigaretten verdrängten ab Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend die Tabakspfeifen als schnelle und einfache Form des Rauchens. Doch die Pfeife verschwand nicht. Sie wurde von all denen am Leben gehalten, denen es nicht um die suchtartige Nikotinaufnahme und Coolness ging, sondern um den bewussten Genuss, verbunden mit großer Wertschätzung des Handwerks.
Noch heute gibt es eine große Gemeinschaft rund um die Pfeife. Neben Manufakturen wie Vauen aus Deutschland, die bereits auf 175 Jahre Bestehen zurückblicken kann, gibt es renommierte Pfeifenmacher und -sammler, die das Pfeiferauchen lebendig halten. Das sind nicht die Großväter, wie es in manchen Köpfen hinterlegt ist – aber überwiegend Männer im besten Alter. Das hat seine Gründe: Während die, die im hektischen Berufs- und Familienalltag angekommen sind, nach Momenten der Ruhe und nach positiven Ritualen im Leben suchen, wollen die jungen Leute ihr Leben eher beschleunigen. Endlich einen guten Job finden, eine Familie gründen und ihr Leben bis dahin kurzweilig halten. Wobei auch das nicht ganz zu verallgemeinern ist. Es scheint so, als wären so einige jungen Leute wieder von einer Sehnsucht erfüllt, die sie aus der digitalisierten „smarten“ Welt zurück in die materielle, analoge Welt bringt, mit Vinyl-Platten statt Spotify, kleinen Büchern statt Handyspielen und Pfeifen statt E-Zigaretten – und das gepaart mit Vokuhila und Schnauzbart.
Die Berührungspunkte, das Pfeiferauchen als Neuling auszuprobieren, sind dabei allerdings viel geringer als bei Zigaretten und deren neumodische Rauch-Alternativen. Eine Pfeife findet man nicht an der Tankstelle oder im Supermarkt. Entscheidet man sich für eine Pfeife, kann man üblicherweise mit einer anständigen Beratung rechnen, bei der auch gleich ein wenig in die Kunst des Befüllens, des Stopfens, des Anzündens und des Kalt-Rauchens eingewiesen wird – denn hier beginnt das Ritual. Das Paffen des Rauches an sich ist dabei nur ein kleiner Teil des Ganzen.
Ob Pfeifen-Anfänger oder Besitzer von ganzen Pfeifen-Sammlungen, die Verbindung ist es, sich bewusst Zeit für etwas Schönes zu nehmen. Eine Gewohnheit zu etablieren, nmit der man abschalten kann, den Stress im Rauch verschwinden lässt und im Kopf Platz für schöne Gedanken und Projekte zu schaffen. „Der Prozess des Stopfens, Anzündens und Rauchens erfordert Konzentration und fördert dadurch eine Form des meditativen Innehaltens“, weiß Martin Ramsauer, Geschäftsführer bei Vauen aus Nürnberg. „In einer Welt, in der alles sofort verfügbar ist und schnelle Befriedigung im Vordergrund steht, stellt Pfeiferauchen einen bewussten Gegenentwurf dar. Es fordert Geduld und Langsamkeit, was in der heutigen Zeit fast schon als subversiver Akt betrachtet werden kann.“
Auch die Pfeife an sich ist ein Symbol für Beständigkeit und Individualität. Die Vielfalt an Formen und Farben, obwohl die meisten aus dem gleichen Material, dem Bruyère-Holz aus der Wurzel der „Erica arborea“ gefertigt sind, ist immens – die Geschmäcker sind dabei ebenso unterschiedlich wie bei der Auswahl des Tabaks, den es von fruchtig-süßen Kompositionen bis zu klassisch herben Mischungen gibt. Eine Pfeife unterstreicht die Persönlichkeit ihres Besitzers und kann über viele Jahre hinweg benutzt werden. Selten bleibt es jedoch bei einer einzigen Pfeife, wenn Mann sich einmal diesem Hobby oder dieser Form des Rauchens gewidmet hat.
Pfeifenkünstler reizen mit ihren Freiformen gerne mal die Grenzen des Machbaren und des Handwerks aus, während Pfeifen-Manufakturen die Herausforderung haben, trotz ihren Klassikern und dem bestehenden Portfolio ihre Kunden immer wieder zu überraschen. „Wir verstehen uns als Brücke zwischen Tradition und Moderne. Unsere Kollektion umfasst Pfeifen in allen Facetten – von klassisch bis modern. Egal, ob man den Charme des Handwerks schätzt oder das Design einer modernen Pfeife bevorzugt – bei uns findet jeder sein persönliches Meisterstück“, heißt es dazu bei Vauen, eine der ältesten noch aktiven Pfeifenmanufakturen weltweit und mittlerweile die einzige in Deutschland. Noch immer entstehen auch hier die Pfeifen in Handarbeit. Erfahrene Pfeifenmacher bringen die Holzstücke wie auch andere Werkstoffe in ihre Form und beweisen dabei nicht nur ihr Können, sondern auch ihr gestalterisches Gespür. So ist beispielsweise die Serie „Auenland“, die ganz klar von der Filmtrilogie „Herr der Ringe“ inspiriert ist, mit ihrem langen geschwungenen Stiel ein unverkennbarer und beliebter Klassiker. Jedes Jahr gibt es zudem eine limitierte Jahrespfeife, bei deren Gestaltung sich ein Pfeifenmacher austoben durfte. Aber es wird in der Traditionsmanufaktur auch viel Wert auf Innovation gesetzt, einerseits gestalterisch durch die Zusammenarbeit mit externen Designern, andererseits durch ganz neue Rauchgeräte. Das Modell „Jucan“ hat ein modernes handliches und durchdachtes Design und hat Stopfer und Ersatzfilter immer dabei. Es steht für viele Anwendungszwecke und so dürfte sich nach der Legalisierung von Cannabis auch der geschichtliche Bogen schließen und die Pfeife erneut auch offiziell für den schönen Rausch sorgen können.
Mit dieser Neuentwicklung reagiert das Unternehmen auch auf die breite Präsenz von E-Zigaretten mit ihren süß-klebrigen Flüssigkeiten. Kompakt und praktisch kann auch Jucan immer dabei sein. Und gut duften kann Pfeifenrauch ebenfalls. Im Gegensatz zu dem Qualm mit synthetisch anmutenden Aromen der „Liquids“ wird der echte Rauch sogar üblicherweise vom Umfeld als angenehm empfunden und bietet einen positiven Einstieg ins Gespräch. Interessanterweise auch mit Nichtrauchern.
Pfeifenraucher unter sich haben ohnehin oft eine besondere und direkte Verbindung zueinander. „Die gemeinsame Leidenschaft schafft Raum für Austausch, ähnlich wie bei Whisky-Liebhabern oder Wein-Kennern. Das Hobby verbindet und fördert den Dialog, in einer Zeit, in der viele soziale Kontakte digitalisiert und oberflächlich geworden sind“, meint Ramsauer. Es geht also auch um die Gemeinschaft und die Geselligkeit – Aspekte im Leben, die ebenfalls viel zur Ausgeglichenheit und Zufriedenheit beitragen.
Der digitalisierte Zeitgeist, bei dem Menschen Angst haben, etwas zu verpassen und nicht mehr mitzukommen, immer oberflächlicher zu werden scheinen und sich permanent nebenbei medial berieseln lassen, schürt die Sehnsucht nach Langsamkeit, Entkopplung und dem Echten. Das Pfeiferauchen ist nur eine von vielen Möglichkeiten, die Sehnsucht zu befriedigen. Nicht die gesündeste – wennschon Genussrauchen auch nicht im Geringsten mit Ketterauchen zu vergleichen ist – aber darum geht es auch nicht. Genussmittel, ob Alkohol, Zigarren oder opulentes Essen bringen alle ein gewisses Risiko mit sich, für das man sich bewusst entscheidet. Aber sie bieten eben auch bewusste Momente des Glücks.
Autor • Andreas Schmitz
Fotos • Vauen